Ich fand die Doku auch erstaunlich objektiv und sehenswert. Vor allem wenn ich dagegen an die jüngste NDR Propaganda über Pattaya denke...
Ich sehe das vermutlich anders als die meisten hier, denn für mich haben alle Protagonisten eine, unter den vorliegenden Umständen, gute Entscheidung getroffen.
Fangen wir bei den beiden Damen an: Beide wären sehr wahrscheinlich in Deutschland mit einem Leben, was sie nicht leben wollten, nach einigen Wochen in einer Sozialwohnung tod aufgefunden worden. Sicherlich ist das Leben in Chiang Mai (aus äußerer) Sicht auch nicht optimal, aber meiner Meinung nach die definitiv bessere Alternative. Sie sagen ja beide, dass sie sich dort wohler als in DE gefühlt haben und das glaube ich ihnen. Auch der Lebensstandard ist höher als das, was sie hier erwartet hätten (Sozialwohnung im Plattenbau, 8 Monate unangenehmes Wetter, anstellen bei der Tafel).
Mindestens Ute sagte ja selbst, dass es jetzt langsam auch mal reicht mit dem Leben. In so fern hätte eine KV am Ende nur ein Leben verlängert, mit dem sie nach eigener Aussage abgeschlossen hat.
Ich persönlich könnte zwar niemals ohne Krankenversicherung ruhig schlafen, aber in Anbetracht der aufgezeigten Alternative (mit KV aber sonst nichts lebenswertem in Deutschland), zumindest nachvollziehbar.
Beim Frührentner-Pärchen bin ich mir zwar auch nicht sicher, ob die wirklich ihr perfektes Ziel erreicht haben, aber zumindest haben sie sich ggü. ihrem Leben in Deutschland schon mal verbessert und sind um eine komplett neue Lebenserfahrung reicher. Lt. ihren Aussagen sorgt alleine das Klima ja schon für eine deutliche Besserung ihrer gesundheitlichen Leiden.
Dann zu Gerhart: Der wurde hier ja in einigen Beiträgen etwas lächerlich gemacht. Ich würde ihm von allen Protagonisten hingegen die besten Zukunftsaussichten attestieren. Er hat sich im Vorfeld in meinen Augen sehr gut und intensiv darauf vorbereitet, mit Pattaya einen Ort gefunden wo er zumindest gute Infrastruktur und viele gleichgesinnte Expats um sich hat, hat keine unrealistischen Erwartungen / denkt nicht die große Liebe gefunden haben, sondern sieht das sehr realistisch als "Zweck-Beziehung", scheint über ausreichend finanzielle Mittel und eine Krankenversicherung zu verfügen, baut mit Tischtennis und co. ein soziales Umfeld und einen geregelten Alltag auf UND: Er lernt die Sprache. Damit sind doch erstmal alle wichtigen Voraussetzungen geschaffen.
Ich (und ich glaube selbst er) findet die Zettel auch amüsant, gleichzeitig ist das aber auch ein Zeichen von Organisation. Die Wahrscheinlichkeit, dass er morgens aufwacht und sagt "Mist, keine Ahnung wie ich ab heute noch klarkommen soll" sehe ich als sehr gering an. Und irgendeine Macke hat doch jeder, oder glaubt ihr wirklich perfekt zu sein?
Und auch für ihn wäre ein Ruhestand in Deutschland mit Sicherheit die schlechtere Option. Als Junggeselle mit Ü65 wird er hier sicherlich auch eher nicht mehr die "große Sandkastenliebe" finden, sondern sehr wahrscheinlich überhaupt keine Partnerin. Das Wetter hier ist lt. seiner Aussage für ihn eine riesige Qual und auch sonst sehe ich keinen Grund, warum hierzubleiben die bessere Option für ihn gewesen wäre.
Ansonsten hat mich selbst die Doku auch etwas bereichert. Ich will hier auch nicht alt werden, wenn mein Leben so weiterläuft wie bisher (sehr hohes Einkommen, sehr hohe Sparrate, keine Frau, keine familiären Beziehungen/Verpflichtungen) will ich hier auch definitiv nicht meinen Lebensabend verbringen. Für mich persönlich ist Deutschland immer noch ein sehr gutes Land zum Arbeiten, wenn der Part wegfällt hält mich hier aber auch nichts mehr. Allerdings habe ich auch noch keine Idee wo es danach hingeht, dafür ist es vermutlich auch noch viel zu früh, ein paar Dinge habe ich aber trotzdem mitgenommen: Man sollte nicht unterschätzen wie es ist plötzlich "der blöde Ausländer" zu sein, sich rechtzeitig eine realistische Erwartungshaltung aufbauen, was da einen erwartet (das ist überwiegend konträr zu dem, was man in seiner kurzen Zeit als "One Week Millionair" Touri erlebt, sich rechtzeitig über die richtige Krankenversicherung informieren und vor allem: So gut es geht die Zeit im Heute ohne gesundheitliche Einschränkungen verbringen und nicht alles für den Ruhestand "aufsparen". Persönlich würde mich in Thailand wohl am meisten die Sprachbarriere stören und das ist ja jetzt auch keine Sprache, die man schnell und unkompliziert fließend lernen kann.
Und wenn ich dann in die YT Kommentare schaue werde ich wieder daran erinnert, dass mir die deutsche Mentalität (auf jeden Fall immer alles kritisieren) und Ansichten (wie kann Gerhart bloß seiner Frau einen Klaps auf den Po geben?!?!?!) auch überwiegend sehr fremd geworden sind.